Autoren: Saleem Rizvi und Chris Taylor

In der Vergangenheit wurde das Thema Nachhaltigkeit im Einkauf oft vernachlässigt oder nur als eine Art "Pflichtübung" ohne wirkliche Wirkung betrachtet. Das ändert sich jetzt. Welche Maßnahmen sollten Einkaufsleiter ergreifen, um spürbare Nachhaltigkeitseffekte zu erzielen?

Nachhaltige Beschaffung, also die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die gesamte Beschaffungstätigkeit, ist in vielen Fällen nicht mehr nur ein Nebenprodukt der Beschaffung, sondern entwickelt sich zu einer neuen Normalität. Unternehmen stehen unter wachsendem Druck aus verschiedenen Richtungen, ihr Engagement für die Nachhaltigkeit unter Beweis zu stellen: gesetzliche Änderungen erhöhen die Anforderungen an die Berichterstattung, und interne und externe Stakeholder achten auf eine starke Nachhaltigkeitsbilanz. Der Einkauf kann die Lieferkette revolutionieren, und die Umstellung auf einen neuen Modus Operandi wird für Unternehmen entscheidend sein, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Ganz gleich, ob Sie nachhaltige Beschaffung in Ihrem Unternehmen initial einführen oder überprüfen wollen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind - dieser Leitfaden bietet Ihnen eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Umsetzung von Nachhaltigkeit im Einkauf.
 

1) Kennen Sie Ihre Ziele

Es mag verlockend sein, alles auf einmal in Angriff nehmen zu wollen. Qualität kommt jedoch vor Quantität: Eine fokussierte Strategie, die sich auf die Kernthemen Ihres Unternehmens konzentriert, ist effektiver als eine Vielzahl von Themen, die nur oberflächlich behandelt werden. Ein Unternehmen aus der Agrarbranche kann sich beispielsweise auf die Reduktion des Wasserverbrauchs konzentrieren, während die Erfolgsaussichten für ein Dienstleistungsunternehmen höher sind, wenn es die durch Geschäftsreisen verursachten Emissionen reduziert.

Stellen Sie also sicher, dass Sie sich über die Rahmenbedingungen Ihres Unternehmens im Klaren sind und priorisieren Sie Ihre Maßnahmen entsprechend. Ordnen Sie Ihre Ziele nach ihrer Bedeutung für das Unternehmen. Externe Verpflichtungen haben dabei die höchste Priorität.
 

2) Suchen Sie Kontakt zu den Nachhaltigkeitsverantwortlichen in Ihrem Unternehmen

Allzu oft wird Nachhaltigkeit als vertikales Thema mit minimaler horizontaler Integration zwischen den verschiedenen Unternehmensfunktionen behandelt, einschließlich des Einkaufs und der Nachhaltigkeitsabteilung.

Regelmäßige persönliche Treffen mit den Nachhaltigkeitsteams ermöglichen den Abbau von Informationssilos, die gemeinsame Abstimmung von Zielen, und zu verstehen, wo der Einkauf am besten Unterstützung leisten kann. Auf diese Weise entsteht ein bidirektionaler Feedback-Kanal für Fachwissen, und die Teams können kurzfristige Ziele (wie jährliche Beschaffungspipelines) mit der längerfristigen Nachhaltigkeitsplanung (z. B. für die Ziele 2030 und 2050) in Einklang bringen.

3) Kompetenz für Ihr Einkaufsteam

Obwohl der Wille meist vorhanden ist, fehlt es den Einkaufsteams häufig an Zeit, Fachwissen und Anreizen, um die Nachhaltigkeitsagenda konsequent zu verfolgen. Die Richtlinien und Prozesse der Organisation räumen der Nachhaltigkeit im Einkauf oftmals keine Priorität ein. Häufig stehen Kosteneinsparungen und Serviceerwägungen im Vordergrund.

Die Geschäftsführung sollte für Engagement und klare Ziele sorgen, z. B. eine bestimmte Anzahl von Lieferanten mit wissenschaftlich fundierten Klimazielen (validiert durch die Science-Based Targets Initiative oder SBTi), um dem Einkauf das Mandat zu geben, sich auf die Verbesserung der Nachhaltigkeit zu konzentrieren und seine Aktivitäten entsprechend zu priorisieren.

Zudem müssen Aus- und Weiterbildung im Mittelpunkt der Nachhaltigkeitstransformation stehen. Stellen Sie sicher, dass der Einkauf über die Fähigkeiten und das Wissen verfügt, um angemessen auf ein nachhaltigeres „Business as usual“ eingehen zu können. Einkaufsteams müssen die Befähigung und den Freiraum haben, über den Tellerrand hinauszuschauen, um auch weniger häufig genutzte Hebel zu verwenden, z. B. eine engere Zusammenarbeit mit bestehenden Lieferanten und gemeinsame Investitionen, um Lieferanten zu ermutigen, sich für Verbesserungen im Bereich Nachhaltigkeit einzusetzen. 

4) Verankerung von Nachhaltigkeit in den täglichen Aktivitäten des Einkaufs

Sobald die Richtlinien und Methoden aktualisiert sind, um die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens widerzuspiegeln, ist es wichtig, die neue Arbeitsweise in die Praxis umzusetzen. Dies kann viele Formen annehmen, von der Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Bewertungsmethoden für Ausschreibungen bis hin zur Erfassung lieferantenspezifischer Daten und vieles mehr. Es wird einige Zeit dauern, bis Einkaufsteams von einem zweidimensionalen Kosten- und Qualitätsansatz zu einem dreidimensionalen Ansatz übergehen, der die Nachhaltigkeit einschließt. Richtig gemacht, baut die nachhaltige Beschaffung jedoch auf bestehenden Prozessen auf, anstatt sie komplett zu überarbeiten. Das bedeutet, dass der Übergang reibungsloser verlaufen wird, als Sie möglicherweise erwarten.

5) Der Schlüssel zur Nachhaltigkeit im Einkauf liegt im Lieferantenmanagement

Informationen und Daten sind nicht immer verfügbar, die Fragmentierung der Lieferanten erhöht den Aufwand und die Einbindung der Lieferanten wird oft zugunsten dringenderer Themen zurückgestellt. 

Damit Sie Ihre Ressourcen auf die richtigen Lieferanten konzentrieren können, segmentieren Sie Ihre Lieferanten anhand einer einfachen Zweier-Matrix, die deren strategische Bedeutung für Ihr Unternehmen und die Nachhaltigkeitsreife misst. Entwickeln Sie auf Basis dieser Matrix einen maßgeschneiderten Ansatz für die Einbindung der Lieferanten in den vier Clustern, wobei Sie wichtige strategische Lieferanten mit geringer Nachhaltigkeitsreife intensiver begleiten sollten. Die Aufnahme von Nachhaltigkeit in SRM-Meetings hilft Ihrem Team, die Herausforderungen Ihrer Lieferanten besser zu verstehen und zu erkennen, wie Ihr Unternehmen unterstützen kann, und zeigt Ihren Lieferanten die Bedeutung von Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen auf. 

6) Lassen Sie sich von ungenauen Daten nicht aufhalten

Einkaufsteams fragen sich oft: Was passiert, wenn die Daten unvollständig sind? Es ist zwar wichtig, den aktuellen Stand zu verstehen und zu wissen, wie Veränderungen verfolgt werden können, aber unvollständige Daten sollten kein Hindernis sein. Teams können erfolgreiche Projekte durchführen, ohne sich von der Herausforderung, Nachhaltigkeitsverbesserungen perfekt zu messen, entmutigen zu lassen. Projekte wie die Einführung einer Flotte von Elektrofahrzeugen (auch wenn die Emissionseinsparungen nicht vollständig quantifizierbar sind) können überzeugende Nachhaltigkeitserfolge für das Unternehmen darstellen.

Mit zunehmendem Fortschritt der Aktivitäten entwickelt sich in der Regel auch die Datenlandschaft weiter. Weniger granulare Methoden zur Emissionsberechnung, wie z.B. Ausgaben-basierte Ansätze, können nach und nach durch lieferantenspezifische Daten oder Aktivitätsdaten ersetzt werden. Diese verbesserten Daten können dann für die Überwachung und Berichterstattung von KPIs verwendet werden, die wiederum in den Planungsprozess einfließen und es den Teams ermöglichen, die Themen mit dem dringendsten Handlungsbedarf schneller zu identifizieren.

7) Um eine anhaltende Wirkung zu erzielen, sollten Sie das Wissen Ihres Einkaufsteams teilen

Die Erosion von Wissen ist in vielen Organisationen eine Herausforderung, und Nachhaltigkeit bildet da keine Ausnahme; nur allzu leicht gehen bewährte Verfahren verloren oder werden übergangen.

Um die gute Arbeit Ihrer Teams festzuhalten, sollten Sie sie ermutigen, ein „Playbook für nachhaltigen Einkauf“ zu erstellen. Dieses sollte als Leitfaden für Ihr Einkaufsteam dienen, das Wissen zentralisieren und Empfehlungen für die Zukunft enthalten. Wie alle anderen Maßnahmen in dieser Roadmap sollte auch dieser Schritt iterativ und nicht statisch sein: Das Dokument sollte regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass es neue Erkenntnisse enthält und Bereiche identifiziert, die als nächstes angegangen werden müssen.

Von Kosten und Qualität zu Nachhaltigkeit: Eine neue Ära für den Einkauf

Traditionell verfolgt der Einkauf zwei Hauptziele: Kostensenkung und Qualitätsoptimierung. Da die Nachhaltigkeit jedoch immer mehr in den Mittelpunkt der Unternehmensstrategie rückt, müssen wir zu einem dreidimensionalen Modell übergehen, das die Nachhaltigkeit als eine weitere Säule des Einkaufs einbezieht.

Unternehmen können die Nachhaltigkeitsagenda ohne den Einkauf nicht erfolgreich vorantreiben, und der Einkauf kann seine Rolle in dieser Transformation nicht länger ignorieren. Unternehmen, die Nachhaltigkeit im Einkauf ganz oben auf die strategische Agenda setzen, werden nicht nur mit dem Wandel Schritt halten, sondern auch neue Wachstumschancen nutzen können.